Im Interview: Rüdiger K. Weng

7 Juli 2012 / Pressespiegel

"Die Zeit ist reif für einen eigenen Online-Vertriebskanal"

Kunsthändler Weng Fine Art bereitet Umstrukturierung vor – Kapitalerhöhung zur Stärkung der Eigenkapitalbasis – Einstieg ins Editionsgeschäft

Der Kurs von Weng Fine Art ist nach dem Börsendebüt im Januar um rund 280% gestiegen. Das war Ausdruck eines überdurchschnittlichen Wachstums des Geschäfts im ersten Halbjahr. Im Interview erklärt Rüdiger K. Weng, CEO von Weng Fine Art, wie er das Wachstum langfristig sichern will.
Börsen-Zeitung, 7.7.2012

Herr Weng, sehen wir am Kunstmarkt das gleiche Phänomen wie bei den Edelmetallen? Flucht in reale Werte? Dass Kunst ein Sachwert ist, der zudem von Währungsschwankungen nur peripher beeinflusst wird, ist sicherlich einer der Gründe, warum sich der Kunstmarkt in den letzten Jahren deutlich besser als andere Sektoren entwickelt hat. Das Grundphänomen ist also ähnlich dem beim Kauf von Edelmetallen. Allerdings ist der emotionale Nutzwert von Kunst erheblich höher als beispielsweise der von Anlagegold.

Wieso konzentrieren sich die hohen Preissteigerungen auf wenige exponierte Künstler? In den letzten Jahrzehnten hat sich die Struktur der Sammlerschaft dramatisch verändert. Während in früheren Zeiten der humanistisch vorgebildete Sammler dominierte, der am Ende seiner beruflichen Karriere mit dem Kauf von Kunstwerken begann, ist der durchschnittliche Sammler heute viel jünger, aber kunsthistorisch oft völlig uninformiert und sucht daher in erster Linie bekannte Namen. Er kauft daher gerne verhältnismäßig leicht verständliche Kunstwerke mit hohem Wiedererkennungswert. Es ist dabei ganz natürlich, dass sich die heutige Sammlergeneration auf die Kunstwerke fokussiert, deren Bildsprache sie versteht und mit der sie aufgewachsen ist. Davon profitiert zum Beispiel die Pop-Art. Um ein Altmeistergemälde und seine Symbolik zu verstehen und entschlüsseln zu können, fehlen den meisten Kunstinteressenten heute schlichtweg die Kenntnisse. Sie haben sich mit einem Anteil von 4% an Artnet beteiligt. Was macht das Unternehmen denn aus Ihrer Sicht so attraktiv? Artnet ist unserer Meinung nach immer noch eines der führenden Kunst-Internetunternehmen mit einem sehr guten Brand und ausbaufähigen Produkten. Nicht umsonst nutzt dieWeng Fine Art Artnet schon seit Jahren als Vertriebsplattform. Allerdings hat es Artnet in 13 Jahren nicht geschafft, aus dem ,,First Mover Advantage‘‘ an der Schnittstelle zwischen Kunst und Internet Kapital zu schlagen. Seit dem Börsengang hat das Unternehmen noch nie eine Dividende zahlen können, und die Bilanz zeigt immer noch einen Verlustvortrag von 51 Mill. Euro – gutes Management sieht anders aus.

Erwägen Sie ein Kaufgebot für die Kunsthandelsplattform Artnet? Die Weng Fine Art wird definitiv keine Übernahme der Artnet angehen. Schließlich wollen wir unser
sehr erfolgreiches Geschäftsmodell nicht verwässern, sondern skalieren. Überdies glauben wir, dass eine Turnaround-Story wie Artnet nicht zu unserer Positionierung als substanzstarkes Wachstumsunternehmen passt. Die Weng Fine Art verfolgt auch eine ganz andere Philosophie als Artnet und hat zum Beispiel seit der AG-Gründung 2004 jedes Jahr schwarze Zahlen geschrieben und vom Tag eins an eine Dividende an die Aktionäre gezahlt. Aus der Perspektive von Redline sieht das natürlich anders aus. Für einen Finanzinvestor, der Werte heben möchte, ist Artnet eine interessante Gelegenheit – weshalb ich es durchaus für möglich halte, dass Redline den Artnet-Aktionären zu gegebener Zeit ein Übernahmeangebot unterbreitet.

Sind Online-Auktionen auch ein Zukunftsmodell für die eher ,,sinnliche‘‘ Kunst? Unsere Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich für das Kunst-Onlinegeschäft vor allem multiple Objekte (Druckgrafik, Fotos) im Wert von 2 000 bis 20 000 Euro eignen. Gemälde und Skulpturen lassen sich online eigentlich nur verkaufen, wenn man sie deutlich unter Marktpreis anbietet – und dann gehen sie meist in den Handel. Die meisten Kunstsammler möchten halt die emotionalen Elemente des Kunstkaufes – insbesondere das haptische Erlebnis beim Kontakt mit einem Kunstwerk – nicht missen. Wenn Herr Neuendorf (Anm. der Redaktion: Gründer von Artnet) behauptet, ,,der größte Teil des Kunsthandels wird zukünftig online ablaufen‘‘, dann ignoriert er sowohl die Mechanismen des Internets als auch die Psychologie der Sammler. Und auch die bisherige Geschichte von Artnet zeigt ja, dass Online- Auktionen nur bei Druckgrafik und Fotos wirkliches Potenzial haben.

Warum planen Sie eine Umgestaltung Ihres Unternehmens? Das Geschäft derWeng Fine Art ist allein im ersten Halbjahr 2012 um 30% gewachsen. Um das für die nächsten Jahre geplante – und vom Geschäftsmodell und der Kapitalseite her definitiv darstellbare –Wachstum von bis zu 50% p. a. stemmen zu können, benötigt das Unternehmen eine neue Struktur, deren Implementierung wir gerade vorbereiten.

Was planen Sie mit der anstehenden Kapitalerhöhung? DieWeng Fine Art hat bei einer Eigenkapitalquote von mehr als 40% derzeit zwar keinen konkreten Kapitalbedarf. Zusätzliches Eigenkapital wird uns jedoch helfen, auf Basis unseres Investment-Grade-Ratings weiteres Fremdkapital von Banken zu erhalten und unser Geschäft noch zügiger zu skalieren als ursprünglich geplant – beispielsweise durch den Ankauf größerer Sammlungen und die Übernahme ganzer Unternehmen aus dem Kunstmarkt. Überdies wollen wir mit der Kapitalerhöhung einigen Investoren, die sich seit Monaten mit nennenswerten Beträgen bei der Weng Fine Art engagieren wollen, eine Einstiegsgelegenheit bieten. Dies gilt umso mehr, als mit einigen dieser Investoren auch interessante Anknüpfungspunkte im Hinblick auf neue Geschäftsmodelle bestehen. Und was die Liquidität der durch den 280 %igen Kursanstieg seit Januar 2012 inzwischen ja recht ,,schweren‘‘ Aktie angeht, so dürfte sich diese auch dadurch erhöhen, dass wir unserer am 24. September stattfindenden Hauptversammlung einen erneuten Aktiensplit vorschlagen werden, über dessen Verhältnis noch diskutiert wird.

Warum veräußert WFA Editions Kunstwerke an Privatsammler über fremde Plattformen? Unser Editionsgeschäft hat sich bisher fremder Plattformen bedient,
um erst einmal Erfahrung im B2CSegment zu sammeln – was ja auch hervorragend funktioniert hat, schließlich hat die Weng Fine Art Editions bereits im ersten Jahr ihres Bestehens mehr als 1 Mill. Euro Umsatz und 276 000 Euro Gewinn vor Steuern erwirtschaftet. Nach diesem erfolgreichen Start ist nun die Zeit reif für einen eigenen Retail-Vertriebskanal, weshalb wir spätestens im September, also zum Start der Herbstsaison, eine Transaktions-Website launchen werden.

Ab Herbst will die Gesellschaft zusätzlich zum Vertriebsgeschäft eigene Editionen in direkter Zusammenarbeit mit international bekannten Künstlern verlegen. Was versprechen Sie sich davon? DieWeng Fine Art Editions will innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre der weltweit führende Anbieter von Editionen zeitgenössischer Künstler werden. Dazu reicht es aber nicht, nur die Produkte anderer Editeure zu vertreiben – wir wollen die Wertschöpfungskette verlängern und dadurch die Marge dieses Geschäfts noch weiter ausweiten. Außerdem können wir über die Herausgabe von eigenen Editionen Ideen verwirklichen, die wir bisher im Kunstmarkt noch nicht umgesetzt gesehen haben.

Halten Sie Kunst für eine lukrative Kapitalanlage? Bildende Kunst, und hier insbesondere die Kunst ab 1945, kann grundsätzlich eine hervorragende Kapitalanlage sein. Allerdings muss sich der Anleger bewusst sein, dass die Transaktionskosten beim Kunstinvestment generell sehr hoch sind. Um die aus der Heterogenität von Kunst und der Ineffizienz des Marktes resultierenden Möglichkeiten zu nutzen, braucht man zudem ein hohes Maß an Fachkenntnis. Von daher halte ich die Beteiligung an einem professionell gemanagten und komfortabel finanzierten Kunsthandelsunternehmen für die derzeit lukrativste Kapitalanlage im Kunstmarkt: Damit kauft man Marktkenntnis, Logistik und Kontakte. Die Transaktionskosten an der Börse liegen lediglich bei 1 bis 2% und ein Aktieninvestment ist wesentlich liquider als die Direktanlage in Kunstwerken.

Die Fragen stellte Anna Perucki.