Freiwillige Sonderprüfung bei Artnet zeigt erhebliche Defizite in Management, Rechnungswesen und Corporate Governance

26 Aug. 2022 / Pressemitteilungen

Die artnet AG (Artnet) und ihre wichtigste externe Aktionärin, die Weng Fine Art AG (WFA), hatten sich im Vorfeld der Hauptversammlung 2021 darauf geeinigt, dass die Verwaltung von Artnet eine „freiwillige Sonderprüfung“ vornehmen lässt. Ein wesentliches Prüfungsdefizit war allerdings bereits die Auswahl eines zu kleinen, lokalen Prüfungsunternehmens durch die Verwaltung, sodass die US-amerikanische Buchhaltung nicht ausreichend überprüft werden konnte. Auch umfasst die Prüfung nur einen Zeitraum von drei Geschäftsjahren. Viele Vorgänge konnten nach Mitteilung des Prüfers nicht aufgeklärt werden – mangels Unterstützung durch die beteiligten Personen der Familie Neuendorf.

Der Verwaltung von Artnet und der Aktionärin Galerie Neuendorf AG liegt der Prüfungsbericht seit etwa zwei Wochen vor, wurde den anderen Aktionären und der Öffentlichkeit allerdings bis gestern vorenthalten – vorgestern endete die Frist bis zu der Aktionäre Fragen zum Prüfungsbericht in der heutigen Hauptversammlung hätten stellen können!

Die wichtigsten Ergebnisse des veröffentlichten Prüfungsberichts waren u.a.: Hinsichtlich der Aufgaben des Vorstands lässt sich nicht feststellen, ob ausschließlich Herr Pabst diese Aufgaben wahrnimmt. Aufgrund der vertraglichen Situation der „Stellenselbstbeschreibung“ durch Hans Neuendorf entsteht der Eindruck, dass mehrere gesetzliche Vorstandsaufgaben durch den Vater als Berater erledigt werden. Sodann kommt der Prüfer zu dem erstaunlichen Schluss, dass er nicht eindeutig klären kann, ob Herr Pabst die Geschäftsleitung eigenverantwortlich als primäre Vorstandsaufgabe erfüllt.  

Der Vorstandsvertrag wurde zwischen Herrn Pabst und seinem Vater Hans Neuendorf geschlossen. Auch der Beratervertrag für Hans Neuendorf ist zwischen Vater und Sohn geschlossen worden und gilt seitdem „auf unbestimmte Zeit.“ Grundsätzlich bemängelt der Prüfer sehr deutlich die fehlende Funktionstrennung bei Hans Neuendorf zwischen der Beratertätigkeit, der Tätigkeit als AR-Vorsitzender und der Übernahme von Tätigkeiten, die eigentlich der Vorstand wahrzunehmen hätte. Dies ist ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen das Aktiengesetz und die Grundsätze guter Unternehmensführung. 

Der bisherige Vorstandsanstellungsvertrag für Jacob Pabst wurde vorzeitig beendet, jedoch zugleich durch Abschluss des aktuellen Anstellungsvertrags verlängert. Dieser lag allerdings dem Prüfer und dem Aufsichtsrat nicht in datierter und auch nicht in unterschriebener Form vor. Hier ist also wohl im Rahmen der Hauptversammlung 2020, wie von der WFA schon vermutet, der Vorstandsvertrag vorzeitig verlängert und die Vergütung hastig erhöht worden. Die Dokumentation könnte nachträglich erfolgt sein.

Der Beratervertrag für Hans Neuendorf (über die Galerie Neuendorf AG) sieht vor, dass dieser lediglich 15 Arbeitstage pro Monat absolvieren muss, dafür aber eine Festvergütung von 28.000 EUR p.M. erhält, was sogar der Prüfer als „relativ hoch“ einstuft. Hans Neuendorf wäre vertraglich verpflichtet, „angemessene Berichte“ zu seinen Leistungen abzuliefern. Tatsächlich stellt der Prüfer aber fest, dass für die Beratertätigkeiten keinerlei schriftlichen Nachweise über die erbrachten Leistungen vorliegen! Der Prüfer hält auch fest, dass weder Vorstand noch Aufsichtsrat diese Leistungsnachweise jemals eingefordert hätten. Hier bestätigt sich der Verdacht der WFA, dass Hans Neuendorf mit Billigung der Verwaltung eine pauschale „Pensionszahlung“ für den Lebensunterhalt gewährt wird und er darüber hinaus noch die Möglichkeit erhält, bei der Artnet Entscheidungen in seinem Interesse und entgegen gute Corporate Governance zu treffen. Als ernsthaften „Beratervertrag“ scheinen das weder Vorstand noch Aufsichtsrat gesehen zu haben.

 Zu den Reisekosten- und Spesenabrechnungen konnte der Prüfer nicht feststellen, ob die Reisen stets beruflich veranlasst waren. Neben den Reisekostenbuchungen scheint es eine Vielzahl weiterer Buchungen mit Bezug zu Familienmitgliedern zu geben, die aufgrund fehlender Buchungstexte nicht eindeutig identifiziert werden können, bzw. bei denen der wirtschaftliche Hintergrund unklar ist. Weiterhin führt der Prüfer aus, dass per Kreditkarte bezahlter Auslagenersatz bzw. Reisekosten nicht überprüft werden konnten, da sie ohne weiteren Buchungstext erfasst wurden. Allein auf diese Weise sind jährlich zusätzlich bis zu knapp 30.000 USD an den Vorstand geflossen.

Bei den Tätigkeiten von Albert Neuendorf als „Chief Strategy Officer“ und Sophie Neuendorf als „Vice President Investor Relations + Communications“ konnte offensichtlich weder die Eignung der Personen geprüft werden,  noch, ob die Tätigkeiten überhaupt im vertraglichen Umfang wahrgenommen worden sind (was die WFA insbesondere bei Sophie Neuendorf in Frage stellt).

Bei den Abrechnungen zugunsten von Albert Neuendorf stellt der Prüfer fest, dass seine Provisionen bei bis zu 40 % der monatlichen Bareinnahmen gelegen haben und somit über 85 % seines Jahresgehalts hinausgehen. Außerdem finden sich weitere 80.500 USD im Jahr 2020, die angeblich Gehaltszahlungen sein sollen, aber laut dem Prüfer nicht als Lohnaufwand gebucht worden sind. 

Der Prüfer stellt des Weiteren fest, dass die Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex mit Kenntnis des Vorstands falsch ist, da es keine „Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat“ gibt und damit auch die vertragliche Grundlage für die Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder fehlt. Dies ist nach Ansicht der WFA eine der Erklärungen dafür, dass der Aufsichtsrat von Artnet seit Jahren seine Kontrolle vernachlässigt und stattdessen willfährig den Vorgaben von Hans Neuendorf folgt.

Ein großes potenzielles Problem für Artnet könnten Buchungen mit der Galerie Neuendorf AG werden: Diese sind allein über die Jahre 2018 - 2020 in Höhe von insgesamt mehr als 3,6 Mio. USD nicht nachvollziehbar. Der Prüfer stellt dazu fest, es handele sich um Buchungen, bei denen kein wirtschaftlicher Zusammenhang hergestellt werden kann!

Insgesamt manifestiert sich mit diesem Rumpf-Bericht die Vermutung, dass der Sonderprüfer bei seiner Untersuchung weder von der Familie Neuendorf, noch von anderen Mitarbeitern von Artnet ausreichend unterstützt wurde, offensichtlich weil die Familie an Transparenz nicht interessiert ist.  

Die Weng Fine Art AG ist der Meinung, dass es nunmehr einer vollständigen gesetzliche Sonderprüfung bei Artnet für die Jahre 2012 - 2022 bedarf, um zu klären, in welchem Umfang Artnet und damit ihre Aktionäre durch das Handeln der Familie Neuendorf geschädigt worden sind. Auf der heutigen Hauptversammlung haben die mutmaßlich benachteiligten Aktionäre der Artnet aber die Möglichkeit, Hans Neuendorf aus dem Aufsichtsrat zu wählen und damit dem Unternehmen die Chance für einen Neuanfang zu geben.