Weng Fine Art: Schlussstrich gezogen

22 Nov. 2022 / Pressespiegel


Zugegeben: Die Webseite der 360X Art AG ist in erster Linie ein Showcase für das geplante Geschäftsmodell rund um die Tokenisierung und Fraktionalisierung von Kunstgegenständen – für einen klassischen Nachrichtenteil ist das kein Platz. Und so findet sich auf der Homepage der Frankfurter auch kein Wort darüber, dass die Weng Fine Art AG (WFA) ihre im Sommer 2021 eingegangene Minderheitsbeteiligung an der 360X Art AG nun wieder veräußert hat. Zunächst einmal ein überraschender Schritt, auch wenn hier und da immer wieder mal zu hören war, dass sich die 360X Art AG hinter dem Zeitplan befindet. Und ganz bestimmt hätte sich CEO Rüdiger K. Weng diese Entscheidung gern ganz geschenkt, denn das Engagement von WFA war ja nicht als reines Finanzinvestment konstruiert. Vielmehr sollte das spezielle Know-how des börsennotierten Kunsthandelshauses direkt in die 360X Art um ihre Ankerinvestoren Deutsche Börse und Commerzbank fließen.

Rein aus diesem Blickwinkel sind mit Sicherheit viele Kapazitäten in das Projekt geflossen, die nun versunken sind. Trotzdem ist es eben auch die Aufgabe eines Vorstands, auf den ersten Blick unpopuläre Entscheidungen zu treffen, um die Marschroute auf einen vermutlich aussichtsreicheren Pfad zu korrigieren. Ob die Trennung von 360X Art tatsächlich die richtige Entscheidung war, wird man zwar erst in einiger Zeit wissen. Immerhin präsentiert Rüdiger K. Weng mit einer – bei der Schweizer Digitaltochter angesiedelten – Kunst-Investitionsplattform einen Plan B, der bereits im ersten Quartal 2023 für Investoren zugänglich gemacht werden soll. Das wiederum lässt darauf schließen, dass WFA schon länger zweigleisig gefahren ist. „Teil dieses Angebots wird eine Handelsplattform sein, auf der Utility Token von wichtigen Editionen gehandelt werden können. Der Token selbst (und damit das physische Kunstwerk) werden über die Handelsplattform der ArtXX auch wieder veräußerbar sein“, heißt es offiziell.

Zumindest der finanzielle Schaden hält sich in engen Grenzen, denn WFA hat seinen 360X Art-Anteil für 2,41 Mio. Euro an einen nicht genannten Investor veräußert. Zum Vergleich: Ursprünglich bezahlt hatte WFA für das Paket dem Vernehmen nach 3,00 Mio. Euro. Auch gemessen am derben Wertverlust der eigenen Aktie im Zuge des Börsencrashs ist ein Minus von knapp 20 Prozent jedenfalls ein überraschend moderater Preisabschlag. Hinzu kommt, dass der Deal damals nicht kreditfinanziert war, sondern im Wesentlichen über den Verkauf eigener Aktien (Treasury Stock) finanziert wurde. Und mit dem jetzt erzielten Erlös kann WFA neue Projekte anstoßen – auch abseits der ArtXX-Handelsplattform anstoßen.

„Der Aufbau des Tokengeschäfts unter eigener Verantwortung wird nur einen Bruchteil aus dem Verkaufserlös der Beteiligung an der 360X Art in Anspruch nehmen“, betont das Unternehmen aus Monheim am Rhein. Am Ende bleibt allerdings wohl auch die Erkenntnis, dass Tanker wie die Deutsche Börse oder auch die Commerzbank nicht zwangsläufig die perfekten Partner für Schnellboote wie WFA oder andere Smallcaps mit kurzen Entscheidungswegen sind. Summa summarum öffnet der Ausstieg bei 360X Art – so unbefriedigend der Deal-Verlauf auch gewesen ist – hoffentlich doch eine andere Tür mit größeren Chancen für die Aktionäre des Kunsthandelshauses. Und auf Dauer allein bleiben muss WFA ja auch in der neuen ArtXX-Variante nicht.

Dem Aktienkurs von Weng Fine Art haben die Neuigkeiten um 360X jedenfalls nicht mehr geschadet, was ebenfalls ein gutes Zeichen ist. Nach dem massiven Kursrutsch befindet sich die Notiz weiter in einer ausgeprägten Phase der Bodenbildung. Das Schlimmste scheint also überstanden. Und da sich am übergeordneten Szenario rund um die zunehmende Verquickung von Kunst und Finanzen ohnehin nichts geändert hat, bleibt nach Auffassung von boersengefluester.de auch die Investmentstory für die WFA-Aktie intakt.

BOERSENGEFLUESTER.DE | 22. NOVEMBER 2022 | VON GEREON KRUSE